Warum Linkshändigkeit mehr ist als nur eine Eigenschaft
Anders sein feiern
„Das mach ich mit links“ – eine Redewendung, die auf den ersten Blick positiv klingt. Sie steht für Leichtigkeit, dafür, etwas mühelos zu schaffen. Doch bei genauerem Hinsehen schwingt auch eine Nuance von Überheblichkeit mit: Selbst die vermeintlich „schwächere“ Hand könne etwas mühelos bewältigen, was möglicherweise anspruchsvoll ist. Für mich als Linkshänderin war es deshalb spannend zu entdecken, wie tief verankert solche Wertungen in unserer Sprache und Kultur sind.
Linkshändigkeit ist nicht nur eine besondere Eigenschaft, sondern auch ein Symbol dafür, wie „Anderssein“ in unserer Gesellschaft oft bewertet wird – sei es mit Skepsis, Ablehnung oder sogar Humor. Doch genau dieses Anderssein kann eine Stärke sein, die uns neue Wege eröffnet.
In diesem Beitrag möchte ich zeigen, wie meine Linkshändigkeit mein Leben geprägt hat und warum es so wichtig ist, unser Anderssein nicht nur zu akzeptieren, sondern als wertvolle Stärke zu feiern.
Linkshändigkeit im Spiegel der Geschichte
Die Abwertung von Linkshändigkeit hat eine lange Tradition. Schon im Lateinischen steht das Wort sinister für „links“ und zugleich für „unheilvoll“ oder „böse“. Im Mittelalter galten Linkshänder als mit dem Teufel im Bunde und wurden verfolgt. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden Kinder in der Schule gewaltsam umerzogen, um mit der „richtigen“ Hand zu schreiben.
Auch in meiner Familie spürte ich diese Ängste. Meine Eltern, die selbst noch die Umerziehung erlebt hatten, sorgten sich, dass mir das Gleiche widerfahren könnte. Glücklicherweise blieb mir diese Erfahrung erspart. Doch selbst ohne offene Umerziehung spürte ich die subtilen Signale: Beim Begrüßen hieß es immer: „Gib die gute Hand!“ – und ich musste lernen, meine linke Hand zurückzuhalten.
Linkshänder in guter Gesellschaft
Linkshändigkeit mag einst als Makel betrachtet worden sein, doch viele bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte und Gegenwart beweisen das Gegenteil. Julius Cäsar, einer der größten Feldherren und Politiker der Antike, war Linkshänder. Auch Leonardo da Vinci, ein universelles Genie, schrieb und zeichnete bevorzugt mit der linken Hand. In der modernen Zeit gehören Berühmtheiten wie Barack Obama, Angelina Jolie und Paul McCartney zu den bekanntesten Linkshändern. Ihre Leistungen zeigen, dass Anderssein nicht nur akzeptiert, sondern gefeiert werden sollte.
Schreiben lernen – ein Spiegel meines Andersseins
Besonders prägend war der Schulbeginn Ende der 60er Jahre. Als die Lehrerin erklärte, dass wir den Stift „von der Mitte des Körpers nach außen führen“ sollten, funktionierte das bei mir nicht. Stattdessen schrieb ich in Spiegelschrift. Das war frustrierend und zugleich ein erster Schritt, mir Dinge auf meine eigene Weise beizubringen. Meine Lehrerin sagte damals zu mir: „Du musst selbst herausfinden, wie es für dich funktioniert.“ Diese Aussage hat mein Leben geprägt und mir gezeigt, dass es okay ist, anders zu sein.
Unsichtbar machen – eine Schutzstrategie
Das Gefühl, „falsch“ zu sein, begleitete mich lange. Ich lernte, meine Linkshändigkeit zu verstecken, um nicht aufzufallen. Beim Einstellungstest zur technischen Zeichnerin fiel niemandem auf, dass ich Linkshänderin bin. Erst nach der Probezeit bemerkte mein Ausbilder erstaunt: „Sie sind ja Linkshänderin! Hätten wir das gewusst…“
Dieses „Nicht-gesehen-Werden“ war damals eine Erleichterung – doch mit der Zeit erkannte ich, dass es mich auch belastet. Denn was passiert, wenn man einen so wichtigen Teil von sich selbst verbirgt? Man wird unsichtbar, auch für sich selbst.
Anderssein als Chance begreifen
Heute sehe ich meine Linkshändigkeit als eine besondere Gabe. Sie hat mich gelehrt, kreativ zu sein, Probleme aus ungewöhnlichen Perspektiven zu betrachten und meinen eigenen Weg zu finden. Statt mich weiterhin unsichtbar zu machen, möchte ich andere ermutigen, ihr Anderssein zu feiern. Denn jeder von uns ist einzigartig, und genau darin liegt unsere größte Stärke.
Die Sprache hinterfragen
Die Sprache spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie wir Anderssein bewerten. Sprichwörter wie „Mit dem linken Fuß aufstehen“ oder „Zwei linke Hände haben“ zeigen, wie negativ „links“ oft konnotiert ist. Doch es gibt auch positive Ansätze: „Das mach ich mit links“ könnte nicht nur für Mühelosigkeit stehen, sondern auch für die Stärke, Herausforderungen auf eine unkonventionelle Weise zu meistern.
Ein Leben zwischen Anpassung und Individualität
Meine persönlichen Erfahrungen als Linkshänderin haben mich gelehrt, wie wichtig es ist, sein Anderssein nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu betrachten. Ob beim Öffnen von Türen, beim Schreiben oder bei alltäglichen Aufgaben – ich musste oft kreative Wege finden, um Herausforderungen zu meistern. Diese Fähigkeit zur Flexibilität und zum unkonventionellen Denken ist zu einer meiner größten Stärken geworden.
Anderssein feiern – mein Appell
Unsere Kindheitserfahrungen prägen uns tief und formen, wie wir die Welt sehen. Doch wir haben die Möglichkeit, diese Sichtweise zu hinterfragen und neu zu gestalten. „Du siehst die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie du bist.“ Dieses Zitat erinnert uns daran, dass unsere Wahrnehmung von unserem Inneren abhängt. Wenn wir lernen, unser Anderssein als Bereicherung zu sehen, können wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Welt um uns herum positiv verändern.
Mein Fazit: Mut zur Einzigartigkeit
Linkshändigkeit ist viel mehr als eine Eigenschaft. Sie ist ein Symbol für Individualität, Kreativität und die Stärke, anders zu sein. Lasst uns aufhören, uns zu verstecken, und stattdessen die Vielfalt feiern, die uns alle einzigartig macht. Denn genau diese Vielfalt macht die Welt so wunderbar bunt.
Buchempfehlungen für Linkshänder und Interessierte
Wenn dich das Thema Linkshändigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen oder Stärken interessiert, empfehle ich dir folgende Bücher:
- „Schritt für Schritt MIT LINKS ins Glück: Linkshänder leicht erkennen – richtig fördern – stark im Leben“
Linkshändigkeit ist ein außergewöhnliches Thema! Denn es betrifft jeden zweiten Menschen. Dieses Buch räumt mit den Fehlinformationen über Linkshänder auf und gibt entscheiden de Orientierung für den richtigen Umgang mit Linkshändigkeit. - „Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn“ Die Umstellung der angeborenen Händigkeit ist einer der massivsten Eingriffe in das menschliche Gehirn: Durch den Gebrauch der nicht dominanten Hand, besonders zum Schreiben, kommt es im Gehirn oft zu schwersten Störungen und Irritationen, die den Menschen individuell meist sehr belasten und Auswirkungen für sein ganzes Leben haben können.
Die Autorin stellt ausführlich die Umschulung der Händigkeit dar und analysiert an zahlreichen Einzelschicksalen die daraus resultierenden möglichen Persönlichkeitsentwicklungen. Dabei gibt sie einen fundierten Einblick in die Erkenntnisse der medizinischen und pädagogischen Forschung. - „Nur für Linkshänder“
Spannende Einsichten in ein unterschätztes Alltagsphänomen.
Diese Bücher bieten spannende Einblicke und hilfreiche Tipps – sei es für den Alltag, das Verständnis der eigenen Händigkeit oder für Eltern, die ihre linkshändigen Kinder unterstützen möchten.